Es würde viele neue Bücher geben, die es Wert wären, hier empfohlen zu werden. Aber das aller-aller-beste, was ich jüngst meinem Sohn vorgelesen habe, ist ein Klassiker. Bei keinem Buch habe ich in letzter Zeit mehr gelacht, mehr gestaunt und mehr gelernt als im Wunderwerk „Pu der Bär“!

Eine Reihe völlig unterschiedlicher Wesen mit weit auseinandergehenden Charakteren und Interessen teilt sich eine Welt. Darunter: Ein kreativer Bär mit wenig Verstand, ein ängstliches Ferkel mit großem Herz, eine weise Eule ohne Ahnung, ein wichtiges Kaninchen ohne Aufgabe, ein ungestümer Tiger, ein depressiver Esel, zwei Kängurus, viele Bekannte und Verwandte sowie Christopher Robin. Jeder lebt auf seine Weise. Manche kommen gut miteinander aus, manche weniger. Es werden gemeinsame Abenteuer erlebt, man hilft und besucht sich. Manchmal stört einer und es werden Pläne gegen diese geschmiedet, die zum Glück alle scheitern. Mit jedem Abenteuer wird deutlicher: Jedes Wesen trägt dank seiner Eigenart zum Gelingen des Lebens aller bei. Vermeintliche Schwächen entpuppen sich als Vorteil, können überwunden werden oder stellen sich gar als eingebildet heraus. Dieser Klassiker führt uns mit erzählerischem Witz die Stärken einer vielfältigen und vernetzten Gesellschaft vor Augen.

Die Geschichten finden in der Phantasie des Jungen statt; In der Welt seiner Stofftiere. In ihnen finden wir uns und unsere Schwächen wieder. Aber diese sind so liebevoll beschrieben, dass man sie am liebsten umarmen will. Das sollten wir ohnehin öfter tun.

Pu stellt am Ende eines Abenteuers fest, dass eigentlich jeder in Ordnung sei. „Aber ich glaube nicht, dass ich Recht habe.“, sagt Pu. Christopher Robins Antwort darauf ist deutlich: „Natürlich hast Du recht“.

Es ist salonfähig aus „Der kleine Prinz“ zu zitieren. Nehmen Sie in ebensolchen Salons stattdessen Harry Rowohlts genialst übersetzten „Pu der Bär“ zur Hand. Das mit Weisheit angereicherte Lachen wird allen guttun.

Ein Buchtipp von Philipp Seehausen

Der Beitrag erschien ebenfalls am 4.2.2023 im General Anzeiger Bonn